Schlicht, ruhig, komponiert – japanische Gärten heben die Spannung zwischen unbändiger Natur und vom Menschen Geschaffenem auf. Vielleicht geben sie uns deswegen das erhabene Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein.
Die Geschichte der japanischen Gärten ist über ein Jahrtausend alt. Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene Stile, die sich jedoch alle einem gemeinsamen Prinzip zuordnen lassen: Die Verehrung des Natürlich-Zufälligen und der vom Menschen geschaffenen perfekten Form.
Die Gestaltungselemente des japanischen Gartens verbreiteten sich in der ganzen Welt. Sie fügen sich problemlos in die westliche Architektur und Lebensart ein, denn ihre Sinnhaftigkeit erschließt sich losgelöst von religiösen oder kulturellen Zusammenhängen.
Unsere westliche Vorstellung von japanischen Gärten ist der pflanzenlose Trockengarten. Er ist aber nur einer unter den drei Hauptformen der japanischen Gartentradition. Die japanische Gartenkunst unterscheidet zwischen Teichgarten chitei, Trockengarten kare-sansui und Teegarten roji. Die verschiedenen Stilformen stehen in engem Zusammenhang mit der Geschichte Japans.
Ein Garten für die Sinne, am besten per Boot zu er-fahren.
"Der alte Teich
Ein Frosch springt hinein
Das Geräusch des Wasser"
(Basho, 1644 - 1694)
Die traditionellen Teichgärten der Heian Zeit (8. - 12. Jahrhundert) sind großflächige Wasserlandschaften innerhalb einer Palast- oder Tempelanlage. Das Zentrum bildet ein großer Teich mit mehreren Inseln, die durch Bogenbrücken mit dem Hauptgarten verbunden sind. Diese eleganten und farbenfrohen Lustgärten der Adligen sind so konzipiert, dass man sie am besten mit dem Boot er-fährt. Die Gartenarchitektur ist stark beeinflusst von der chinesichen Geomantie, die bei uns unter dem Namen Feng-shui bekannt ist.
Im Zentrum der intuitiven Schule der Geomantie steht die Suche nach dem idealen Ort für eine Anlage. Festgehalten sind diese Informationen im Sakutei-chi, dem ältesten Handbuch des Gartenbaus. Diese Regelsammlung des elften Jahrhunderts wurde wahrscheinlich nur von Meister zu Schüler weitergegeben und blieb somit den Mitgliedern des Adels und den buddhistischen Mönchen vorbehalten. Ein Auszug aus diesem Text verdeutlicht die Gartenphilosophie der Heian-Zeit:
Gestalte den Teichumriss mit Gefühl für seine Lage im Land. Folge dabei seinen Bitten. Beachte die Atmosphäre der Orte, die sich für den Gartenbau anbieten. Bedenke, wie die Natur Berg- und Wasser-Szenen gestaltet und umkreise solche natürliche Szenen mit deinen Gedanken.
Der Teegarten kann wild und ungebändigt erscheinen, ist aber immer eine durchgeplante Komposition.
Im 16. Jahrhundert, der Momoyama-Zeit, entstand ein völlig neuer Gartentyp, der Teegarten. Dieser Garten ist integraler Teil der Teezeremonie. Der Weg des Tees, cha-do, ist eine Methode der Meditation. In der Durchführung einer alltäglichen Tätigkeit, der Teezubereitung, wird sich der Schüler der Schlichtheit und Erhabenheit aller alltäglichen Dinge und sich seiner selbst bewusst. Der Garten vereint drei ästhetische Prinzipien: Zucht und Schlichtheit (Wabi), persönliche Vorlieben und Geschmack (Suki), Kreativität und Originalität (Sakui).
Ganz im Gegensatz zum strengen Trockengarten soll der Teegarten das Bild einer einsamen Wildnis oder eines rustikalen Bergdorfes vermitteln. Farne, Gräser und andere Gewächse sind scheinbar wild durcheinandergeworfen. Erst das genaue Hinsehen lässt die planerische Hand eines Gestalters erkennen. Zentrales Gestaltungselement sind die Schrittsteine, die sich durch den Garten schlängeln.
Eine erhabene Leere, die den Betrachter auf sich selbst zurückwirft.
Der japanische Trockenlandschaftsgarten, kare-sansui, ist eine abstrakte Komposition zur Meditation. Er gehört in den Bereich einer existenziellen Kunst der Leere und des Nichts. Es ist ein vergleichsweise kleiner Garten, indem das Wasser durch Kies, und die Berge durch Natursteine symbolisiert werden.
Zwei ästhetische Ideale charakterisieren diesen Garten: Eine tiefe und elegante Schlichtheit (yugen) und die Schönheit der leeren Fläche (yohaku no bi). Die Steine sind auf der Fläche so angeordnet, dass für den meditierenden Betrachter allmählich die Umrisse verschwimmen. Er nimmt Steine und Fläche als eine große Einheit wahr. Auf diese Art kehrt sich der Energiefluss von außen nach innen um, und der Betrachter wird auf sich selbst, auf sein eigenes Bewusstsein zurückgeworfen.
Die Entstehung und Entwicklung dieser Gärten (in der Kamakura- und Muromachi-Zeit, 12.-15. Jahrhundert) steht im Zusammenhang mit der zweiten großen Welle des chinesischen Einflusses auf die japanische Kultur. Zen-Buddhismus und die chinesische Landschaftsmalerei inspirierten die Gartenkünstler dieser Zeit
Moderne japanische Gärten spielen mit allen Elementen der Tradition.
In der Gartenkunst der Edo und Meiji-Zeit (17.-19. Jahrhundert) dominierten parkartige Wandelgärten, die an die Teichgärten der Heian-Zeit erinnern. Es kommt aber auch zu einer Synthese der Elemente früherer Epochen. Im 20. Jahrhundert entwickeln moderne Gartenkünstler den japanische Garten zu einem skulpturalen Gesamtkunstwerk. Nicht mehr die Imitation der Natur steht im Vordergrund sondern das Errichten einer zweiten "künstlichen" Natur. Heute bestehen alle Stile der japanischen Gartentradition nebeneinander. Sie gehen Verbindungen ein mit westlichen Gestaltungskonzepten und erhalten außerhalb der japanischen Kultur neue Bedeutungen.